Rituale von Cees Nooteboom

Hallo liebe Lesedetektive,

heute habe ich ein holländisches Buch für euch, das wahrscheinlich die Wenigsten kennen werden. Klingt etwas seltsam, aber wagt euch ran... :)


Euer Buchdetektiv



Lesedetektiv-Rituale
Rituale-Cees Nooteboom

Originaltitel: Rituelen

Verlag: Suhrkamp
Seitenzahl: 231
Erscheinung: 1980

Thalia













Handlung

Cees Nooteboom legt in seinem Erfolgsroman "Rituale" heiter und melancholisch Zeugnis ab von der weltschaffenden Kraft seines souveränen, leichten wie philosophischen Erzählens, seiner Fähigkeit, das Sein zum Schein und den Schein zum Sein zu verwandeln: Inni Wintrop will sich selbst töten, weil er in seinem Horoskop prophezeit hatte, seine Frau werde mit einem anderen durchbrennen, und er, der ja Löwe war, würde dann Selbstmord begehen. Doch wie der Tod so spielt, der Strick reißt, und Inni Wintrop sieht mit neuer Aufmerksamkeit die Menschen in seiner Stadt Amsterdam.

Meine Meinung

Klingt eigenartig, oder? Hab ich auch gedacht, war aber - wie immer - zu neugierig und habe mich schließlich rangewagt.
Dass "Rituale" sich zu einem meiner Lieblinge entwickeln würde, hätte ich nie erwartet.

Und das liegt nicht wie sonst an einem bestimmten Kriterium, wie zum Beispiel besonders interessanten Charakteren oder einer fesselnden Handlung, sondern ist es hier das Zusammenspiel zwischen speziellen Charakteren, einer seltsamen Grundidee und schließlich der Umsetzung in Form des Stils.

Im Fokus der Geschehnisse liegt natürlich Inni Wintrop, dessen Selbstmordversuch bereits zu Anfang des Buches geschildert wird. Dieser scheitert jedoch und von dort an wird sein Leben in Rückblicken erzählt. So erfährt der Leser langsam von seinem Familienhintergrund und bekommt einen Einblick in Innis Psyche, beziehungsweise was dafür gesorgt hat, dass sie so ist, wie sie ist. Außerdem lernt der Leser mit Inni in mehreren zeitlichen Rückblicken zwei Männer kennen, die auf der einen Seite zwar sehr gleich, aber dennoch auch grundlegend verschieden sind.

So viel sei erst einmal zur Handlung gesagt, denn der eigentliche Reiz liegt in diesem Buch darin, dass Inni all diese Geschehnisse bloß erzählt und gleichzeitig dabei so neutral bleibt, dass man annehmen könnte, er sei gar nicht Teil der Ereignisse, auf der anderen Seite aber doch so viele Schlüsse aus den Verhaltensweisen anderer Menschen und sich selbst zieht.

Insgesamt dreht sich alles in diesem Buch um die Frage, was denn nun im Leben wichtig sei bzw. wofür es sich überhaupt zu leben lohne.
Und obwohl dem Leser letztendlich keine Antwort geliefert wird, schafft es Nooteboom, das Leben an sich als gleichbleibenden Faktor so verschieden mithilfe seiner Charaktere darzustellen, dass ich gelegentlich das Buch beiseite legen musste, um immer wieder über die verschiedenen Lebensstile nachzudenken. Dabei steht natürlich auch die ganz große Frage im Raum, welche Lebensweise denn nun die wünschenswerte ist, aber so viele Antworten Nooteboom auch gibt, so wirft er mindestens doppelt so viele Fragen auf.
Das Besondere an diesem Buch allerdings ist meiner Meinung nach, dass der Leser von Anfang an weiß, dass ihm keine Antworten auf diese Fragen geliefert werden, sondern eine Art Material zum eigenständigen Nachdenken bekommt. 
Damit stellt das Buch tatsächlich bloß das dar, was es auch verspricht: eine Erzählung aus dem Leben von Inni Wintrop.

Interessant ist dabei auch, dass das Leben nicht wie sonst in anderen Büchern, die sich mit der Sinnsuche beschäftigen, als etwas Heiliges dargestellt wird, das es für jeden nur einmal gibt. Stattdessen geht Nooteboom doch sehr kritisch an das Leben heran und fragt den Leser tendenziell "Warum sollte man leben?", statt zu fragen "Warum sollte man nicht leben?".
Das sorgt natürlich für eine sehr düstere Atmosphäre und verleiht dem Buch einen melancholischen Touch.

Fazit

Insgesamt sellt dieses Werk damit für mich eine absolute Besonderheit in der philosophischen Literatur dar. Das liegt daran, dass nüchtern betrachtet Nooteboom dem Leser bloß eine einfache Erzählung liefert, die aber sehr unter die Haut geht und den Leser zu eigenständigen Überlegungen nahezu zwingt. Die melancholische Atmosphäre und die speziellen Charaktere sorgen zusätzlich daür, dass das Buch stark in Erinnerung bleibt.
Und somit lässt sich sagen, dass ein neuer Schatz sich zu meinen Lieblingsbüchern gesellt hat :)


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5 von 5 Sternen

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